Predigt zum Fest Christi Himmelfahrt
- 1. Lesung: Jesus wird wiederkommen (Apostelgeschichte 1,1-11)
- 2. Lesung: Gott hat Christus auf den Platz zur Rechten erhoben (Epheserbrief 1,17-23)
- Evangelium: Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf Erden (Matthäus 28,16-20)
„Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Das sind die Zusage und das Versprechen Jesu am heutigen Fest Christi Himmelfahrt. Außerdem versichert er uns: „Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde.“
Das heißt also: Selbst wenn wir das heutige Fest „Himmelfahrt Christi“ nennen, dann bedeutet das nicht, dass Jesus uns nach seiner Menschwerdung, nach seinem 33-jährigen Aufenthalt hier auf Erden, nach seinem Erlösungswerk durch Kreuz, Tod und Auferstehung, nach einer 40-tägigen Einschulungsphase für seine Jüngerinnen und Jünger einfach wieder verlassen hat. So nach dem Motto: Mission erfüllt. Auf Wiedersehen! Genau das bedeutet das heutige Fest nicht.
Vielmehr feiern wir Christi Himmelfahrt, weil wir mit diesem Bild „Himmelfahrt“ zum Ausdruck bringen, was mit Jesus Christus schon immer angekündigt wurde, aber bis dahin niemand so richtig verstanden hat: Dieser Jesus Christus ist der geliebte Sohn Gottes, auf den wir hören sollen. Diese Botschaft steht im Mittelpunkt der Taufe Jesu und bei seiner Verklärung am Berg Tabor. Und jetzt – „auf dem Berg, den Jesus ihnen genannt hatte“ – wird diese Wahrheit von Jesus selbst noch einmal bestätigt: „Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde“, sagt er und er versichert uns: „Ich bin da – alle Tage, also immer – bis zum Ende der Welt.“
Das ist unser Glaube. Das fordert unser Vertrauen heraus, dass diese Worte Jesu nicht Schall und Rauch, sondern immerwährende Realität sind.
Vielleicht haben wir in diesem Jahr sogar die Chance erhalten, genau dieses Glaubensgeheimnis der Himmelfahrt Jesu viel besser als je zuvor verstehen zu können. Wir leben ja in einer Zeit, in der wir unser gesamtes öffentliches und privates Leben veränderten. Wir tragen Schutzmasken, wir begrüßen uns anders, wir halten Abstand, wir achten viel mehr auf das Händewaschen, das Desinfektionsmittel steht überall. Neue Gesetze werden gemacht, Regeln für das Miteinander-Leben, Arbeiten, Feiern, Erholen usw. werden aufgestellt. Und warum das Ganze? Weil es da etwas gibt, das uns anstecken kann, lebensbedrohlich ist, obwohl wir es gar nicht sehen. Es gibt also etwas, das da ist und in alle Bereiche unseres Lebens hinein wirkt, obwohl es mit bloßem Auge nicht sichtbar ist. Wir müssen es glauben, wir müssen den Spezialisten vertrauen, den Ärzten und Virologen. Dass dieser Glaube gar nicht so selbstverständlich ist, erleben wir genauso. Es gibt genug Menschen, die das Ganze für einen völligen Blödsinn halten.
Der Name Gottes lautet „Jahwe“ – „Ich bin der ich bin da“. Jesus Christus versichert uns: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Es gibt tausende Spezialisten, Theologen, Propheten, Heilige, die uns das seit Jahrtausenden immer wieder bis zum heutigen Tag bestätigen und versichern.
Der heilige Franz von Sales zum Beispiel verwendet dafür das Bild der Vögel und verkündet:
„Gott ist ja in allem und überall; es gibt keinen Ort und kein Ding, wo er nicht wirklich gegenwärtig wäre. Wohin die Vögel auch fliegen, sie finden ihr Element, die Luft, in der sie sich bewegen; so finden auch wir, wohin immer wir gehen mögen, Gott überall gegenwärtig.“ (Philothea II,2; DASal 1,73)
Franz von Sales weiß natürlich, dass sich die Menschen mit dieser immerwährende Gegenwart Gottes leider auch schwer tun. „Jeder kennt diese Wahrheit,“ so schreibt er, „aber wie viele gibt es, die sie wirklich erfassen? […] Wir sehen den allgegenwärtigen Gott nicht; obwohl uns der Glaube dessen versichert, vergessen wir auf seine Gegenwart oft und benehmen uns, als wäre Gott weit entfernt von uns.“ (ebd.)
Es ist daher unbedingt erforderlich, dass wir uns die Gegenwart Gottes so oft wie nur möglich in Erinnerung rufen, bei allem, was wir tun, zu jeder Zeit. Diese Gegenwart ist aber kein gefährlicher Virus, sondern sie tut uns Menschen gut. Gottes Gegenwart ist eine liebevolle Gegenwart, sie schenkt Kraft, Hoffnung, Mut und Zuversicht. Sie lässt uns neu anfangen, wenn wir etwas falsch gemacht haben, aufstehen, wenn wir gefallen sind, durchhalten, wenn es anstrengend ist, trotzdem leben, wenn wir mutlos sind. Wir Christen haben für diese leben-spendende, liebevolle Kraft Gottes auch einen Namen, wir nennen sie „Heiliger Geist“. „Wir glauben an den Heiligen Geist“, so beten wir im Großen Glaubensbekenntnis, das für alle Christinnen und Christen aller Konfessionen gilt: „Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht … der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird.“ Dieser Heilige Geist ist die Erfüllung des Versprechens Jesu, dass er immer bei uns ist, alle Tage bis zum Ende der Welt.
In wenigen Tagen feiern wir Pfingsten, das Fest des Heiligen Geistes, das Fest der immerwährenden liebevollen Gegenwart Gottes mit, um und in uns. Nutzen wir die kommenden Tage besonders dafür, uns die liebevolle Gegenwart Gottes, mit und in der wir immer und überall leben, wieder bewusst zu machen. Auch wenn wir Gott nicht sehen, er ist da, er wirkt, er ist ansteckend, er schenkt Kraft, Energie, Hoffnung und Zuversicht. Ohne ihn könnten wir genauso wenig leben, wie ohne Luft. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS