Am 24. Oktober 2024 erschien die Enzyklika „Dilexit nos“ – „Er hat uns geliebt“ von Papst Franzikus „über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu Christi“. In dieser Enzyklika, die als „geistliches Vermächtnis“ des Papstes bezeichnet wird, ist dem heiligen Franz von Sales ein eigenes Kapitel gewidmet. Papst Franziskus schreibt über den Kirchenlehrer Folgendes:
Der heilige Franz von Sales
114. In der Neuzeit ist der Beitrag des heiligen Franz von Sales bemerkenswert. Er betrachtete oft das offene Herz Christi, das dazu einlädt, in einer persönlichen Beziehung der Liebe in ihm zu verweilen, in der sich die Geheimnisse des Lebens erhellen. Wir können in den Gedanken dieses heiligen Kirchenlehrers erkennen, wie ihm angesichts einer rigoristischen Moral oder einer Religiosität der bloßen Pflichterfüllung das Herz Christi als ein Aufruf erschien, voll auf das geheimnisvolle Wirken seiner Gnade zu vertrauen. Der Baronin von Chantal gegenüber drückte er das so aus: »Ich denke wohl, dass wir nicht mehr in uns selbst bleiben wollen und […] vertrauensvoll für immer unsere Wohnstätte in der durchbohrten Seite des Erlösers aufschlagen sollen; denn ohne ihn können wir nicht nur nichts tun, aber auch wenn wir könnten, würden wir nichts tun wollen« (DASal 5,208).
115. Für ihn war die Frömmigkeit weit davon entfernt, zu einer Form des Aberglaubens oder einer unangemessenen Verdinglichung der Gnade zu werden, denn sie bedeutete die Einladung zu einer persönlichen Beziehung, in der sich ein jeder vor Christus als einzigartig erlebt, als in seiner unwiederholbaren Wirklichkeit erkannt, als von Christus gesehen und direkt und exklusiv bedacht: »Dieses sehr anbetungswürdige und sehr liebenswürdige Herz unseres Meisters, das von seiner Liebe zu uns ganz glühend ist, in das wir alle unsere Namen eingeschrieben sehen werden […] Es wird ein sehr großer Trost sein, dass wir von unserem Herrn so innig geliebt werden, dass er uns immer in seinem Herzen trägt« (OEA X,244). Dieser auf das Herz Christi geschriebene Eigenname, ist die Weise, in der Franz von Sales zu versinnbildlichen versucht, inwieweit die Liebe Christi zu jedem einzelnen keine abstrakte oder allgemeine ist, sondern eine persönliche Dimension beinhaltet, durch die sich der Gläubige um seiner selbst willen geschätzt und anerkannt fühlt: »Mein Gott, meine Tochter, wie schön ist der Himmel nun, da der Heiland ihm als Sonne dient und seine durchbohrte Seite als Quelle der Liebe, aus der die Seligen nach Wunsch trinken können. Jeder wird sich darin betrachten und jeder sieht dort seinen Namen mit Liebeslettern geschrieben, die die Liebe allein lesen kann und den die Liebe allein geschrieben hat. Ach Gott, meine liebe Tochter, werden unsere Namen auch darin stehen? Sie werden es zweifellos; denn wenn auch unser Herz nicht die Liebe hat, hat es doch Sehnsucht nach Liebe und den Beginn der Liebe« (DASal 5,242).
116. Er sah diese Erfahrung als etwas Grundlegendes für ein spirituelles Leben an und zählte diese Überzeugung zu den großen Glaubenswahrheiten: »Ja, meine sehr liebe Tochter, er denkt an Sie und nicht nur an Sie, sondern an das kleinste Haar auf Ihrem Haupt (Mt 10,30; Lk 21,18); das ist ein Glaubensartikel und wir dürfen nie daran zweifeln« (DASal 7,97). Daraus folgt, dass der Gläubige fähig wird, sich ganz dem Herzen Christi anzuvertrauen, in welchem er Ruhe, Trost und Kraft findet: »O Gott, welches Glück, so in den Armen und an der Brust [des Erlösers]. […] Bleiben Sie so, liebe Tochter, wie ein kleiner anderer Johannes und während die anderen am Tisch des Herrn verschiedene Gerichte speisen, legen und lehnen Sie mit ganz einfachem Vertrauen Ihr Haupt, Ihre Seele, Ihren Geist an die liebevolle Brust dieses teuren Heilands« (DASal 5,194). »Dem Geist nach hoffe ich, dass Sie in der Höhle der Turteltaube und in der durchbohrten Seite unseres teuren Heilands sein werden. […] Wie gut ist doch der Herr, meine liebe Tochter! Wie liebenswert sein Herz! Bleiben wir dort in dieser heiligen Wohnstatt« (DASal 5,202).
117. Getreu seiner Lehre über die Heiligung im gewöhnlichen Leben schlägt er jedoch vor, dass dies inmitten der Tätigkeiten, Aufgaben und Pflichten des Alltags gelebt werden sollte: »Sie fragen mich, wie die Seelen, die im Gebet zu dieser heiligen Einfachheit und vollkommenen Hingabe an Gott hingezogen werden, sich in all ihren Handlungen verhalten sollen? Ich antworte, dass sie nicht nur im Gebet, sondern in der Führung ihres ganzen Lebens unwandelbar im Geist der Einfachheit wandeln sollen, indem sie ihre ganze Seele, ihr Tun und ihren Erfolg dem Wohlgefallen Gottes überlassen und anvertrauen, aus einer Liebe vollkommenen und absolutesten Vertrauens, indem sie sich der Gnade und der Sorge der ewigen Liebe überlassen, die die göttliche Vorsehung für sie hat« (OEA 1,739).
118. Als es darum ging, ein Sinnbild zu finden, das seinen Entwurf für ein geistliches Leben zusammenfasst, kam er aus all diesen Gründen zu folgendem Schluss: »Ich habe also gedacht, wenn Sie damit einverstanden sind, meine liebe Mutter, wollen wir als Wappen ein einziges, von zwei Pfeilen durchbohrtes, von einer Dornenkrone umschlossenes Herz nehmen« (DASal 5,225).
Eine neue Liebeserklärung
119. Unter dem heilsamen Einfluss dieser Spiritualität des heiligen Franz von Sales kam es Ende des 17. Jahrhunderts zu den Ereignissen von Paray-le-Monial. Die heilige Margareta Maria Alacoque hat von wichtigen Erscheinungen berichtet, die sich zwischen Ende Dezember 1673 und Juni 1675 zugetragen haben.
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178. Der heilige Franz von Sales ließ sich vor allem von Jesu Aufforderung erleuchten: »Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig« (Mt 11,29). Auf diese Weise, so sagte er, können wir in den einfachsten und gewöhnlichsten Dingen das Herz des Herrn gewinnen: „Wer ihm nach seinem Wohlgefallen dienen will, muss den kleinen und weniger geachteten Dingen ebenso viel Sorgfalt widmen wie den großen und erhabenen, denn mit dem einen wie mit dem anderen können wir seine Liebe gewinnen. […]. Diese täglichen kleinen Liebesdienste, das Kopfweh und die Zahnschmerzen, das Geschwür und die üble Laune des Mannes oder der Frau, ein zerbrochenes Glas, ein geringschätziges oder unwilliges Wort, der Verlust eines Ringes oder Taschentuchs, die kleine Unbequemlichkeit, früh schlafen zu gehen, um früh zu Gebet und Kommunion aufzustehen, die Scheu, gewisse Übungen der Frömmigkeit öffentlich zu verrichten, kurz alle diese kleinen Leiden in Liebe angenommen und ertragen, erfreuen die göttliche Güte überaus“ (DASal 1,190; Philothea III,35). Aber letztlich ist der Schlüssel für unsere Antwort auf die Liebe des Herzens Christi die Nächstenliebe: »Ich habe nur ein Mittel, um dem Herrn zu zeigen, dass ich ihn liebe, und das ist die Liebe zu meinem Nächsten. […] Es ist eine beständige, konstante, unveränderliche Liebe, die sich weder mit Kleinigkeiten noch mit den Eigenschaften oder Zuständen von Personen aufhält und die nicht dem Wandel oder der Abneigung unterworfen ist. […] Unser Herr liebt uns ohne Unterlass, indem er unsere Fehler und unsere Unvollkommenheiten erträgt; deshalb müssen wir dasselbe gegenüber unseren Brüdern tun und nicht müde werden, sie zu ertragen«.