Verabschiedung innig verwalten
Die Verwaltung der 46 Friedhöfe in Wien übernimmt vielfach die Stadt Wien selbst. Einige Friedhöfe wurden an private Anbieter vergeben, darunter auch die Friedhöfe in der Umgebung unseres Pfarrgebietes – Döbling, Grinzing, Sievering. MITEINANDER besucht den Friedhof Sievering bei regnerischem, kaltem Friedhofswetter und spricht dort mit Fr. Kummer, Friedhofsverwalterin:
MITEINANDER: Zum Friedhof sind Sie durch Ihren Vater gekommen?
Fr. Kummer: Ja, die Firma lautet auf seinen Namen und wir verwalten den Döblinger, den Sieveringer und den Heiligenstädter Friedhof.
MITEINANDER: Sie selbst fühlen sich nur für den Sieveringer Friedhof zuständig?
Fr. Kummer: Unsere Familie verwaltet den Sieveringer Friedhof seit 1984, damals hat ihn der Großvater übernommen, 1996 übernahm der Vater und ich bin seit 2015 hier. Ich habe das spontan beschlossen, nachdem ich Matura und Apothekenlehre gemacht hatte, mich dann dort nicht so wohl gefühlt hatte, meine Mama einige Bandscheibenvorfälle hatte und dadurch der Bedarf gegeben war – dann habe ich zugesagt, das für einige Zeit zu machen und seither bin ich nun hier mittendrin statt nur dabei.
MITEINANDER: Wie groß ist eigentlich der Friedhof?
Fr. Kummer: Wir verwalten ca. 4500 Gräber inklusive etwa 100 Urnengräber und haben etwa 150-200 Bestattungen pro Jahr.
MITEINANDER: Gibt es jetzt noch freie Gräber?
Fr. Kummer: Sarggräber sind noch genug frei, derzeit sind es etwa 850, aber Urnengräber sind keine zu haben.
MITEINANDER: Wieso hat sich das Verhältnis Urne zu Sarg so geändert?
Fr. Kummer: Weil viele Altbestände von Gräbern aufgelassen worden sind und Urnengräber häufiger nachgefragt werden.
MITEINANDER: Im Internet habe ich gesehen, man kann sich die freien Gräber direkt aussuchen?
Fr. Kummer: Ja, man kann sich die Grablage aussuchen, deshalb sage ich immer, wenn jemand Bedarf hat, dann bitte eine Runde um den Friedhof gehen und schauen, wo es gefällt und wir werden dort in der Nähe sicher etwas finden.
MITEINANDER: Wie viele Personen können in einem Grab liegen?
Fr. Kummer: Grundsätzlich können vier Särge in einem normalen Grab liegen und zusätzlich 8-10 Urnen, aber durch Exhumierungen und Zusammenlegungen können auch darüber hinaus Verstorbene in einem Grab zu liegen kommen.
MITEINANDER: Gibt es besondere Wünsche von den Leuten?
Fr. Kummer: Ja, besonders bei der Lage kommt es fallweise zu Wünschen, manche mögen den Blick auf Wien oder auf die Weinberge – da frage ich dann immer, ob der Verstorbene den Blick haben soll oder der Angehörige, weil da dreht sich dann meist die Lage um. Aber auch bei Wünschen hinsichtlich der Nachbarschaft zu Hecken oder Bäumen gibt es manchmal Einschränkungen.
MITEINANDER: Haben Sie den Eindruck, dass die Leute, die den Friedhof besuchen, eine Innigkeit mitbringen?
Fr. Kummer: Es kommt immer darauf an, wie der Betroffene zu dem Grab steht, das er besucht. Etwas hart ausgedrückt – ist das Grab für ihn ein funktionaler Gegenstand oder ist eine emotionale Bindung dazu vorhanden.
MITEINANDER: Aus Ihrer Sicht – hat sich das gewandelt in den letzten Jahren?
Fr. Kummer: Ja, bei der jüngeren Generation können schon die wenigsten damit etwas anfangen – es kann aber auch sein, dass nur nicht darüber gesprochen wird. Früher hat man zum Muttertag, zu Weihnachten, Geburtstag,… das Grab besucht – dieses Verhalten kann ich jetzt nicht mehr erkennen.
MITEINANDER: Hat sich während der Pandemiephase bei Ihnen etwas verändert?
Fr. Kummer: Nein, wir haben nichts bemerkt – bei uns ist kein Anstieg von Beerdigungen zu bemerken – eher sogar im Gegenteil – im Jahr 2020 waren es weniger und jetzt sind es etwa gleich viele Begräbnisse, wie in den letzten Jahren davor.
MITEINANDER: Wie zeichnen Sie eigentlich auf?
Fr. Kummer: Es wird zwar von den Friedhöfen Wien digital aufgezeichnet und wir geben dort auch ein aber im Wesentlichen stützen wir uns auf unsere eigenen handschriftlichen Bücher nach alphabetischen Namen und dazu Protokollbücher mit den Details je Grab. Ohne diese Bücher würde ich fast das ganze Wissen über den Friedhof verlieren.
MITEINANDER: Können Sie sich auch an kuriose Ereignisse auf Ihrem Friedhof erinnern?
Fr. Kummer: Da gibt es mehrere – zum Beispiel den Fall eines Mannes, bei dem wir die Rettung holen mussten, weil er über den Grabstein gefallen war bis zu einer dementen Frau, die nächtens am Friedhof mit ihrem Hund spazieren ging und von der Polizei wegen Abgängigkeit gesucht wurde.
MITEINANDER: Möchten Sie noch gerne etwas zu Ihrer Tätigkeit sagen?
Fr. Kummer: Es wäre schön, wenn die Leute nicht so viel wegnehmen würden. Es werden Gestecke und Kränze entwendet, Kerzen woanders angezündet, Blumen ausgegraben,….
MITEINANDER: Noch abschließend eine persönliche Frage: Wenn Sie am Abend nach Hause gehen, nehmen Sie da viel vom Geschehen des Tages mit?
Fr. Kummer: Ja, immer wieder – allerdings kann ich dann fast alles im Kreise der Familie und mit meinen Eltern besprechen – aber meistens kann ich doch entspannt nach Hause fahren.
MITEINANDER: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
® Bild Johanna Binder